„Die Begeisterung der Kinder ist die beste Motivation“

Nachricht Celle, 23. März 2022

Doppelinterview zum Thema "Erzieher*innen-Ausbildung"

Svea Hausknecht ist 21 Jahre alt, kommt aus Klein Hehlen und absolviert aktuell ihre Ausbildung zur Erzieherin in der evangelischen Kindertagesstätte „Haus der Familie“, die in Trägerschaft des Ev.-luth. Kirchenkreises Celle liegt. Die Ausbildung zur Pädagogischen Fachkraft erfolgte grundsätzlich ohne eine Ausbildungsvergütung, was für Interessierte ein finanzielles Problem darstellt.  Das hat sich geändert – eine neue Ausbildungsform macht es möglich. PiA, praxisorientierte Ausbildung, lautet der Name dieser berufsbegleitenden Ausbildung für Erzieher*innen.

Im Sommer 2020 begann Svea Hausknecht ihre Arbeit in der Krippe der Kindertagesstätte Hambühren. Im Gespräch mit der Leitung der Kindertagesstätte Birgit Knigge (56) – spricht die angehende Erzieherin über die Vorteile des neuen Ausbildungssystems, die Leidenschaft für den Beruf – und die besondere Motivation mit Kindern zu arbeiten.

 

Svea Hausknecht, welchen Weg haben Sie nach dem freiwilligen sozialen Jahr eingeschlagen?

Svea Hausknecht: Zunächst habe ich eine Ausbildung zur sozialpädagogischen Assistentin gemacht, die in der Regel zwei Jahre dauert, allerdings um ein Jahr verkürzt wird, wenn man ein Abitur vorzuweisen hat. Kurz habe ich darüber nachgedacht, ein Studium zu beginnen, aber mir war früh klar, dass ich gerne mit Kindern arbeiten wollte und gleichzeitig gefiel mir die Vorstellung einer Ausbildung mit Berufserfahrung. Im Sommer 2020 habe ich schließlich in Hambühren mit der Erzieher*innen-Ausbildung begonnen.

Birgit Knigge, Frau Hausknecht profitiert dabei von der sogenannten PiA-Ausbildung. Worin liegen die Unterschiede zur konventionellen Ausbildung?

Birgit Knigge: Anders als bei der klassischen Erzieherausbildung, die in den ersten beiden Ausbildungsjahren ausschließlich schulisch erfolgt, sind die PiA-Azubis mit jeweils mindestens 20 Wochenstunden in einer sozialpädagogischen Einrichtung angestellt und erhalten für ihre Arbeit eine Vergütung. Im alten System beschränken sich die beruflichen Erfahrungen auf ein achtwöchiges Praktikum pro Jahr. PiA hat nicht nur den Vorteil, dass die angehenden Erzieher*innen Geld verdienen, beide Seiten profitieren auch von der langfristigen Zusammenarbeit. Als Kita-Leiterin sehe ich das sehr positiv, weil viele die Ausbildung erst gar nicht beginnen wollen, wenn sie vier Jahre kein Geld verdienen.

Svea Hausknecht: Der finanzielle Aspekt ist wichtig, so kann ich mir ein Auto leisten und ein wenig Geld zur Seite legen. Noch entscheidender finde ich allerdings, dass ich die Möglichkeit habe, ganz intensiv an der Entwicklung unserer betreuten Kinder teilzunehmen. In einem zweimonatigen Praktikum ist es schwer, sich einerseits an die Arbeitsabläufe zu gewöhnen, Beziehungen zu den Mitarbeiter*innen und Kindern aufzubauen und andererseits selbst eine echte Unterstützung in der täglichen Arbeit zu sein.

Birgit Knigge: Natürlich besteht für die Einrichtungen ein gewisses Risiko, dass die Auszubildenden der vielfältigen Aufgaben und der Doppelbelastung in der Kita auf Dauer noch nicht ganz gewachsen sind. Bei Svea habe ich darüber noch nicht einmal nachdenken müssen, sie arbeitet schon so routiniert und verlässlich, dass sie längst zu einem vollwertigen Teammitglied geworden ist.

Gibt es Unterschiede in der täglichen Arbeit in der PiA-Ausbildung?

Svea Hausknecht: Ich bekomme mehr Verantwortung. Als Praktikant*in darf ich mit den Kindern nicht mal alleine im Raum sein. Als auszubildendes Teammitglied kann ich inzwischen auch mal mit einer Kindergruppe in den Garten gehen, wenn eine/r meiner Kolleg*innen zum Beispiel noch im Wickelraum beschäftigt ist. Außerdem ist der begleitende Prozess deutlich intensiver: Von der Eingewöhnung, über die Betreuung, bis hin zu Elterngesprächen und dem Übergang in den Kindergarten kann ich überall mit dabei sein und so in die Arbeit reinwachsen.

Birgit Knigge: Gleichzeitig bieten wir Svea in ihrer Ausbildung auch jederzeit einen geschützten Raum, weil sie nicht alleine dafür verantwortlich sein muss, was in einer Gruppe passiert. Sie hat stets eine/n erfahrene/n Erzieher*in an der Seite.

Die zusätzliche Verantwortung einer berufsbegleitenden Ausbildung dürfte allerdings auch eine zusätzliche Herausforderung bedeuten.

Svea Hausknecht: Die Doppelbelastung aus Schule und Arbeit ist natürlich fordernd. Allerdings gefällt mir diese Kombination aus Theorie und Praxis sehr – so kann ich das, was wir in der Berufsschule lernen, auch gleich in der Arbeit mit den Kindern umsetzen.

Birgit Knigge: Der Beruf ist generell nicht ohne. Der Stressfaktor ist hoch, als Erzieher*in in einer Kita muss man ständig präsent sein, man muss es aushalten können, dass die Kinder Aufmerksamkeit einfordern, lachen, weinen, schreien. Zudem ist der pflegerische Teil besonders in der Krippe sehr intensiv. Davon kann jeder, der einem Kleinkind schon mal füttern musste, ein Lied singen. (Lacht.)

Wie profitieren beide Seiten – Auszubildende und feste Mitarbeiter*innen – voneinander?

Birgit Knigge: Die Auszubildenden profitieren natürlich von unserer Erfahrung und der Routine, wir wiederum von der Energie, dem Esprit und den neuen Perspektiven der noch unerfahrenen Auszubildenen. Und das ist auch wichtig. Ich mache diesen Job schon sehr lange, lerne aber jeden Tag noch etwas Neues dazu – das macht den Reiz ja auch aus.

Was möchten Sie Ihren Azubis besonders mit auf den Weg geben?

Birgit Knigge: Einer der ersten Sätze meines Ausbilders war: „Pädagogik kommt von ‚begleiten‘.“ Das habe ich nie vergessen, das wollte ich immer sein: eine Begleiterin für die uns anvertrauten Kinder. Die Kinder sind das eigentlich Erfüllende an diesem Beruf. Jeden Tag passiert hier etwas Neues und Tolles, jeden Tag macht man die Erfahrung, warum man sich einst für diesen Job entschieden hat. Diese Perspektive und die Chance, unsere Gesellschaft mitgestalten zu können, möchte ich gerne weitergeben.

Svea Hausknecht: Ich merke das schon jetzt, wie oft man hier für seinen Einsatz belohnt wird. Die Kinder geben einem jede Stunde, jeden Tag etwas zurück. Vor diesem Gespräch saßen wir zum Beispiel im Morgenkreis und haben gemeinsam gesungen. Diese Begeisterung der Kinder springt sofort auf einen über, das ist die beste Motivation.

Wie sieht Ihr Plan für die Zukunft aus?

Svea Hausknecht: Ich hoffe, dass am Ende meiner Ausbildung ein Platz hier in der Krippe für mich frei sein wird und ich noch weiter solche Erfahrungen erleben darf, wie erst vor ein paar Tagen: Ein kleiner Junge, den ich einige Zeit nicht gesehen hatte, stand auf einmal vor mir und sprach seine ersten Worte. Und diese großen und kleinen Fortschritte sieht man hier jeden Tag.