Das Wort zum Sonntag - von Pater Thomas Marx

Nachricht Celle, 29. März 2022

Zwischen Ohnmacht und Hoffnung

Seit nunmehr zwei Jahren hält uns die Corona- Pandemie in Atem und hat unser „normales“ Leben in vielen Bereichen gewaltig auf den Kopf gestellt. Das ist wahrlich Herausforderung genug! Und kaum hatte sich Hoffnung eingestellt auf eine allmähliche Rückkehr in unsere alte Normalität, da wird unser Leben geprägt von Bildern eines Krieges in Europa. Bilder von Zerstörung, Flucht, Leid und Tod führen uns vor Augen, dass wir von der alten Normalität weit entfernt sind.

Zu lange haben wir die Zerbrechlichkeit menschlichen Daseins verdrängt

Die aktuellen Nachrichten wühlen auf, machen traurig und wütend und zeigen die ganze Zerbrechlichkeit unserer zivilen Gesellschaft und letztlich unseres Lebens. Und dann taucht da diese unerträgliche Erfahrung von Hilflosigkeit und Ohnmacht auf! Der postmoderne Mensch hat verlernt, mit Ohnmacht umzugehen. Zu lange haben wir die Zerbrechlichkeit menschlichen Daseins verdrängt und uns der Illusion hingegeben, dass wir als Menschen das Leben selber immer in der Hand haben. Alles ist planbar, wir können uns gegen Gefahren ab- und versichern, beständiger Fortschritt und fortwährendes Wachstum werden fast als selbstverständlich vorausgesetzt. Das Durchkreuzen menschlicher Pläne, die Erfahrung der dunklen Seiten des Lebens für das es keine Glücksgarantie gibt und die Erfahrung von Endlichkeit sind reduziert auf die Existenz als Randphänomen bedauerlicher Einzelschicksale. Krieg aber, noch dazu so nah, verdichtet diese Erfahrungen in geradezu erschreckender Weise. Ja, unser Leben wird fundamental erschüttert!

In diesen Tagen vor Ostern rücken in der Kirche der Leidensweg und das Kreuz Jesu traditionell stärker in den Blick. Dem ohnmächtigen Gott am Kreuz, der die menschliche Existenz teilt bis in die tiefste Tiefe hinein, bis in den Tod, können wir unsere eigene Ohnmacht anvertrauen. Der Blick auf das Kreuz hilft das Unaushaltbare auszuhalten, hilft das Unerträgliche zu tragen. Es gibt unseren Gefühlen von Angst, Wut, Trauer und Ohnmacht Raum. Und es fordert auf zum Handeln, sei es auch noch so unscheinbar und klein. Die vielen Zeichen der Solidarität und Hilfe der letzten Tage sind mehr als ein Aufschrei gegen die Gewalt. Sie sind Zeichen untrüglicher Hoffnung inmitten der Hoffnungslosigkeit des Krieges. Sie sind Zeichen der Menschlichkeit inmitten der Unmenschlichkeit. Sie sind Zeichen dafür, dass wir nicht der Gewalt und der Bedrohung des Lebens das letzte Wort lassen.

Thomas Marx ist Pater der katholischen Gemeinde Celle