Die Zukunft liegt nicht am extremen Rand

Veranstaltung 07. November 2022

Das Wort zum Sonntag

Brasilien hat einen neuen Präsidenten gewählt. Mit 1,8 Prozentpunkten Rückstand ist der amtierende Präsident Bolsonaro abgewählt und der frühere Präsident Lula da Silva soll ihn ablösen. Knapper kann man sich ein Ergebnis kaum vorstellen. Das Wahlvolk ist gespalten. Je eine Hälfte steht hinter einem Kandidaten. Bei so knappen Mehrheiten verlangt die Demokratie eine hohe Solidarität und gleichzeitig Weisheit der Amtsinhaber, die nominelle Mehrheit nicht auszunutzen.

Selig sind die Frieden stiften

Wenige Tage zuvor hat die Lutherische Kirche Brasiliens sich zu ihrem jährlichen Konzil getroffen und die Kirchenleitung neu gewählt. Diese Wahl war sehr einvernehmlich und mit sehr eindeutiger Mehrheit. Die Versammlung kam unter einigen Versen aus der Bergpredigt zusammen. Dazu gehörte auch: Selig sind die Frieden stiften, denn sie werden Gottes Kinder heißen. (Matthäus5, 9)

Friedensstifter werden gebraucht in Brasilien, in der Ukraine, in Mali, in Äthiopien und an vielen anderen Orten, auch bei uns. Demokratie braucht Menschen, die miteinander reden, manchmal auch streiten. Menschen, die um eine gute Zukunftsperspektive ringen für die Menschheit. Menschen, bei denen der eigene Vorteil hinter die Verantwortung für andere zurücktritt. Menschen, die sich für Demokratie einsetzen. Frieden stiften gelingt nur, wenn Kompromisse gefunden werden können. Kompromisse finden nennt man die Kunst, ein Ergebnis als bestmögliches für beide Seiten verstehbar und annehmbar zu machen.

Die Weichen für die Zukunft

Dazu gehört die Fähigkeit, sich in eine andere Situation hineinzuversetzen. Wie würde ich denken und handeln, wenn ich auf der anderen Seite des Tisches sitzen würde?

In Brasilien werden durch die Wahl Weichen gestellt für die Klimazukunft des Planeten. Aber nicht nur dort. Was wir dort beobachten, sollte uns wachsam machen für die Entwicklung der Demokratie in unserem Land. Kompromisse gilt es, jeden Tag zu finden, und so die Achtung der Menschen mit anderen Prinzipien und Vorstellungen zu wahren. Die Bergpredigt nennt Friedensstifter*innen Gottes Kinder. Manche Zeitgenossen glauben, diese sind nicht von dieser Welt. Aber in Gottes Augen sind sie wichtig für diese Welt und ihre Schöpfung.

Ich bin froh über jede und jeden, der bei uns politische Verantwortung übernimmt und sich für Gespräche und Lösungen einsetzt – im Zweifel für einen Kompromiss – und so ein Klima guter Demokratie in Frieden ermöglicht.

Michael Thiel ist Direktor im Evangelisch-lutherischen Missionswerk Niedersachsen