Am Eingang zum historischen Innenhof der JVA Celle duftet es nach Glühwein und Bratwurst. So weit, so gewohnt. Durch die heute zur Abwechslung mal geöffneten Tore geht es hinter die dicken Mauern – und mitten rein in eine geradezu surreal wirkende Welt. An den Ständen des Weihnachtsmarktes verkaufen die Mitarbeiter*innen des Gefängnisses Holzspielzeug, Weihnachtsschmuck oder Gartenzubehör, doch das Hauptaugenmerk ist auf die Fassade der JVA-Kirche gerichtet. 301 Jahre ist sie bereits alt, schon im vergangenen Jahr sollte das runde Jubiläum würdevoll gefeiert werden, Corona machte einen Strich durch die Rechnung.
Ein bisschen Frieden
Diesmal hat alles geklappt. Die Veranstaltung findet statt, die Bratwurst wird verkauft und an der Fassade der Kirche flackert das Geburtstagsgeschenk. Initiiert von Gefängnisseelsorger Jan Postel haben Schüler*innen aus Celle gemeinsam mit Inhaftierten bereits vor über einem Jahr Bilder zum Thema Freiheit gestaltet. Postel selbst brachte die Kunstwerke nach Berlin, wo sie vom international renommierten Licht- und Videokünstler Philipp Geist abfotografiert und verarbeitet wurden. In wenigen Minuten findet die Eröffnung statt. Schnell noch einen heißen Kakao.
Von den flimmernden Projektionen fasziniert, hört man aus den Boxen ein bekanntes Lied: Nicoles Evergreen „Ein bisschen Frieden“ legt sich über die üblichen Weihnachtsmarktgeräusche. Dann ergreift Jan Postel das Wort. Er erzählt von dem Projekt, den besonderen Begegnungen zwischen Inhaftierten und Schüler*innen und gibt dann ab an Gefängnisleiter Thomas Papies. Der dankt allen Beteiligten an der Großveranstaltung und gibt dann zurück an Philipp Geist und seine Interpretation der „Freiheit“-Workshops.
Auch Superintendentin fasziniert
Spektakulär ist das und beeindruckend. Dazu die Stimmen von Schüler*innen und Inhaftierten, die berichten, was ihnen das große Wort Freiheit bedeutet. Auch Superintendentin Dr. Andrea Burgk-Lempart ist anwesend und verfolgt fasziniert die Show.
Bettina Schillat, Kunstlehrerin am Kaiserin-Auguste-Viktoria-Gymnasium, die mit ihren Schüler*innen den künstlerischen Austausch erst möglich gemacht hat, sagt: „Selbst wenn man die einzelnen Bestandteile der Licht- und Klangcollage nicht kennt, ist doch spürbar geworden, wie leicht, transparent und gleichzeitig groß die Vorstellungen von Freiheit hier geworden sind. Da ist etwas Schönes in der Zusammenarbeit entstanden, das deutlich macht, dass solche Begegnungen die Beteiligten ein Stück weit verändern können.“
Die anwesenden Schülerinnen erinnern sich bei den Bildern an die Gespräche und die Arbeit mit den Gefangenen, vor allem an die einzelnen Schicksale. „Besonders nachgedacht haben wir alle über die drei damals Inhaftierten, die inzwischen wieder entlassen worden sind“, sagt Bettina Schillat. „Was haben sie wohl aus diesem Projekt mitgenommen, jetzt, da sie wirklich in Freiheit sind?“
Am Ende gibt es warmen Applaus von den Zuschauer*innen. Die Musik klingt noch nach, die Bilder sowieso. Im Hintergrund steht die 301 Jahre alte Kirche. So etwas hat selbst sie noch nicht gesehen.