Mit runden Jubiläen ist es so eine Sache. Schön, wenn sich Schule/Sportverein/Kirchengemeinde noch Jahrzehnte später an einen erinnern. Weniger schön, dass man tatsächlich schon wieder Jahrzehnte älter geworden ist. Oder wie in diesem Fall: ein ganzes Vierteljahrhundert.
Wirklich schon 25 Jahre?
Vor einigen Wochen flatterte eine Einladung der Ev.-luth. Kirchengemeinde Garßen in meinen Briefkasten. Zur „Silbernen Konfirmation“. Der erste Gedanke: „Das ist schon wieder 25 Jahre her?“ Der zweite Gedanke: „Wirklich? 25 Jahre?“
Ich hatte damals, 1997/98, das große Glück, einen wirklich tollen Pastor in der Gemeinde zu haben. Pfarrer Axel Mittelstädt kam vertretungsweise nach Garßen und überzeugte zunächst einmal durch seine beachtliche Körpergröße und einen kerzengeraden Rücken. Seine kerzengerade Haltung und seine beachtlichen Kompetenzen im Umgang mit Konfirmandinnen und Konfirmanden durften wir in den folgenden zwei Jahren kennenlernen. Konkrete Erinnerungen an unsere Aktionen und Aktivitäten habe ich weniger, aber ich spüre noch das warme Gefühl, wenn wir gemeinsam im Konfirmationsunterricht saßen. „Unterricht“, der Begriff schreckte zunächst mal ab, doch recht schnell stellten wir fest, welche besondere Atmosphäre in diesen Stunden herrschte.
Die großen Fragen dieser Welt
Klar, es ging um Religion und christliche Erziehung, vorrangig aber um die großen Fragen der Welt. Warum sind wir hier? Was stellen wir an mit der Zeit? Und natürlich: wie wird die Konferfahrt? Die Antwort nach den Fragen 1 und 2 suche ich manchmal noch heute, die gemeinsame Reise nach Müden habe ich in schöner Erinnerung. Pastor Mittelstädt nahm ich als einen dieser Menschen wahr, die von innen heraus leuchten und dadurch ihre Wirkung auf andere nie verfehlen. Die Zeit mit ihm ist einer der Gründe, warum ich heute sogar für die evangelische Kirche arbeite.
Mit diesen Gedanken nahm ich die Einladung von Garßens Pastor Andreas Seelemeyer wahr, packte etwas widerwillig alte Fotos von damals ein (Danke nochmal an Onkel Rainer für die furchtbar hässlichen Schuhe) und fuhr zurück in die Vergangenheit. Gemeinsam mit dem goldenen und diamantenen Jahrgang feierten wir einen Gottesdienst mit Abendmahl, anschließend sollte es weitergehen in den „Landgasthof Sohnemann“ im nahen Bostel – meinem Heimatdorf.
So ein Wiedersehen mit Wegbegleiter*innen aus der eigenen Geschichte, die man zum Teil seit der Konfirmation nicht wiedergesehen hat, ist eine Herausforderung. Man kennt sich, aber wiederum auch nicht. Man hat eine gemeinsame Vergangenheit. Aber keine Gegenwart und (vermutlich) keine Zukunft. Und so steht man schick angezogen etwas unbeholfen beisammen und hofft darauf, dass sich die Situation etwas auflockert. Die Jahrgänge Gold und Diamant taten sich damit etwas leichter, vielleicht weil sie einfach mehr Erfahrung haben mit Jubiläen solcher Art.
Das Salz in der Suppe
Doch spätestens im Landgasthof lösten sich die sozialen Barrieren immer mehr auf, wuchs die Gruppe, die sich einst in der Kirche zusammengefunden hatte, wieder zusammen. Zumindest für ein paar Stunden. Weißt du noch damals? Wo hat es dich nach der Schule hin verschlagen? Wie alt sind eure Kinder nochmal?
Pastor Mittelstädt saß irgendwie auch mit am Tisch. Erstaunlich, dachte ich mir, wie viel Einfluss man als Pastorin oder Pastor haben kann, wenn man die gemeinsame Konfirmationszeit richtig nutzt. Unser Pfarrer von damals arbeitet inzwischen als Schulpastor an einem Gymnasium in Darmstadt. Bei seiner Verabschiedung in der Evangelischen Emmausgemeinde Rodgau-Jügesheim im Sommer 2021 bezeichnete er seine Gemeindeglieder als „Salz in der großen Suppe der Welt“ und verteilte passenderweise Salzstreuer. Sein Wunsch zum Abschied: „Bleibt salzig!“
Bleiben wir. Auf die nächsten 25 Jahre.
(Alex Raack, Autor dieser Zeilen, findet sich auf dem Foto hinten ganz rechts neben Pastor Andreas Seelemeyer)