Denn ich bin gewiss, dass weder Tod noch Leben, […] uns scheiden kann von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserm Herrn. (Röm 8,38f.)
Die Evangelisch-lutherische Landeskirche Hannovers trauert um ihren ehemaligen Landesbischof und Abt zu Loccum D. Horst Hirschler, der am Dienstag, den 8. August 2023, im Alter von 89 Jahren in Loccum gestorben ist.
Einen Landesbischof nah bei den Menschen erhoffte sich die Landessynode der hannoverschen Landeskirche 1988, als sie Horst Hirschler zum Landesbischof wählte. Sie wurde nicht enttäuscht. Mehr als elf Jahre hat er dieses Amt bekleidet und geprägt – und war sich der Tradition dieses Amtes bewusst, die ihm Verpflichtung, Herausforderung und Ermutigung war. Mit Vollendung des 66. Lebensjahres ging Horst Hirschler 1999 in den Ruhestand.
Leitender Bischof der VELKD
Von 1993 bis 1999 war Hirschler auch Leitender Bischof der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche in Deutschland (VELKD) und von 1991 bis 1997 Mitglied des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Im Jahr 2000 übernahm er von seinem Vorgänger Landesbischof Prof. Dr. Eduard Lohse das Amt des Abtes des Klosters Loccum, das er bis 2020 innehatte. Von 1990 an war er außerdem sieben Jahre lang einer der Vizepräsidenten des Lutherischen Weltbundes (LWB). Mit großem Nachdruck hat er sich für die „Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre“ eingesetzt, die zwischen dem Lutherischen Weltbund und der Römisch-katholischen Kirche in einem langwierigen und mühevollen Beratungsprozess erarbeitet worden ist.
„Horst Hirschler war ein großer Erzähler des christlichen Glaubens“, sagt Landesbischof Ralf Meister. „Er lebte und verkündigte mit überzeugender Tat und klaren Worten die Botschaft Christi. Er scheute nicht den kämpferischen Streit und legte anschaulich die lutherische Theologie in dieser Zeit aus. Seine Menschennähe, sein Humor und sein Ideenreichtum waren für ihn genauso wie sein Mut zu unkonventionellen Entscheidungen Ausdruck seiner Treue in der Nachfolge Christi. – 'Nicht dass wir tüchtig sind von uns selber, ... sondern dass wir tüchtig sind, ist von Gott, der uns auch tüchtig gemacht hat zu Dienern des neuen Bundes.“ (2. Kor. 3,5).'“
Start als Elektriker
Geboren am 4. September 1933 in Stuttgart-Weilimdorf, machte Horst Hirschler nach der mittleren Reife zunächst bei Bosch in Hildesheim eine Elektriker-Lehre. Sein Abitur holte er am Abendgymnasium nach. Viele seiner späteren Predigten waren mit Anekdoten aus dieser Zeit gespickt, seine Verkündigung war dadurch anschaulich und lebensnah. Von 1955 bis 1959 studierte Hirschler Theologie an der Kirchlichen Hochschule Bethel und an den Universitäten Tübingen, Heidelberg und Göttingen. Sein Vikariat absolvierte er in Syke und besuchte das Predigerseminar St. Michaelis in Hildesheim. Von 1962 bis 1965 war Hirschler Schülerpastor im Landesjugendpfarramt der Landeskirche und gleichzeitig Landeswart der evangelischen Jungenschaft BK (Schülerbibelkreise) in Niedersachsen. Danach war er fünf Jahre lang Gemeindepfarrer, zunächst in Lüneburg, dann in Deutsch Evern.
Schon in seiner Zeit als Gemeindepastor an der St.-Johannis-Kirche in Lüneburg (1965 bis 1970) wurden seine Predigten und Vorträge viel beachtet und diskutiert. Vor dem Konvent des Kirchenkreises hielt Hirschler im Oktober 1968 einen Vortrag mit dem bezeichnenden Titel „Christsein als revolutionäre Existenz“, in dem er grundlegende Veränderungen in Gesellschaft und Kirche forderte und zur Bildung reformwilliger Gruppen in der Kirche aufrief. Folgerichtig gehörte er dann auch zu den Gründungsmitgliedern der Synodalgruppe „Gruppe Offene Kirche“.
Zugleich nahbare und humorvolle Art
Seine eindeutige Haltung zu gesellschaftlichen Themen, die er stets mit deutlichen Argumenten vertrat, trug ihm über den kirchlichen Kontext hinaus hohen Respekt ein. Mit seiner zugleich nahbaren und humorvollen Art wurde er zu einem wichtigen Wegbegleiter und Gesprächspartner zahlreicher Persönlichkeiten in politischer und wirtschaftlicher Verantwortung in Niedersachsen und darüber hinaus.
Nach seiner Ernennung zum Konventualstudiendirektor im Predigerseminar des Klosters Loccum 1970 zogen seine Frau Ursula und die vier Söhne zunächst mit nach Loccum. So begann die Liebe Hirschlers zu dem Zisterzienserkloster, die bis zu seinem Tod anhalten sollte. Die von ihm und Ernst Berneburg herausgegebenen „Geschichten aus dem Kloster Loccum“ belegen, wie hingebungsvoll Horst Hirschler sich der alten zisterziensischen Tradition zugewandt hat und sie für die Gegenwart lebendig machen wollte.
Theologische Ehrendoktorwürde in Leipzig
Horst Hirschler war Zeit seines Lebens ein gefragter Prediger und Redner. Die Auslegung der Bibel und Darlegung in der Predigt eines öffentlichen Gottesdienstes war seine zentrale Lebensaufgabe. 1977 schrieb er sein Buch „Konkret predigen“, ein für sein Wirken programmatischer Titel, der wie die homiletische Summe der Arbeit in Loccum gelesen werden kann. Das Werk wurde zum Grundbestand in den theologischen Bibliotheken des Landes und lancierte zum Standardwerk für die homiletische Ausbildung junger Theologinnen und Theologen. Seinen konkreten Predigtstil stellte Hirschler später mit zahlreichen Rundfunk-Andachten und „Wort zum Sonntag“-Beiträgen unter Beweis. Für sein „kundiges, kompetentes und leidenschaftliches Engagement als Prediger“ verlieh ihm am 21. April 1992 die Kirchliche Hochschule Leipzig die theologische Ehrendoktorwürde.
Auf der Kanzel fühlte sich Hirschler als Erbe Martin Luthers, dessen Theologie und kraftvolle Auslegung der biblischen Schriften ihn stets geleitet haben. Als Landesbischof bereitete er das kirchliche Engagement auf der Weltausstellung in Hannover im Jahr 2000 mit vor und setzte sich sehr für den dortigen Christus-Pavillon ein, der später im thüringischen Kloster Volkenroda, dem Mutterkloster des Klosters Loccum, wieder aufgebaut wurde.
Seine Schrift „Homosexualität und Pfarrerberuf“ sorgte für Kritik
1977 berief der Kirchensenat der Landeskirche Hannovers Horst Hirschler zum Landessuperintendenten (heute: Regionalbischof) für den Sprengel Göttingen. Knapp elf Jahre hatte Horst Hirschler dieses Amt inne, predigte auf allen Kanzeln und war unermüdlich im Sprengel unterwegs. In diese Zeit fiel auch das Luther-Jubiläum 1983, was ihn zu unzähligen Vorträgen über den Reformator brachte. Hirschlers Interesse an weiterführenden Gesprächen zwischen Theologie und Naturwissenschaft fand seinen Widerhall in der Gründung eines Arbeitskreises mit Hochschulprofessoren aus beiden Fakultäten. In die Göttinger Zeit fällt auch die Auseinandersetzung der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers mit der Frage der Homosexualität in ihrer Auswirkung auf den Pfarrerdienst. Seine Schrift „Homosexualität und Pfarrerberuf“ löste viele Diskussionen aus und sorgte für Kritik.
Als Abt des Klosters Loccum prägte Hirschler 2013 mit Energie und Tatkraft die Programmgestaltung des 850-jährigen Jubiläums des Klosters, das mit einem umfangreichen Festakt seinen Höhepunkt fand. Auch die Renovierung der Klosterkirche mitsamt neuer Orgel war ihm ein Herzensanliegen. 2019 beschloss er dann, vom Amt des Abtes zurückzutreten. „Er hat dies bei vollem Bewusstsein getan“, sagt der heutige Prior des Klosters Arend de Vries, „und war danach spürbar erleichtert."
Danach erlebte Hirschler auch noch den kompletten Umbau des Predigerseminars und den Neubau der Klosterbibliothek mit. Abends, wenn kein Handwerker mehr da war, ließ er sich durch die Baustelle führen. Im November 2021 nahm der 88-Jährige als Ehrengast an der Einweihung teil. „Horst Hirschler war seit Jahrzehnten der erste Abt, der in Loccum gelebt hat und in seinem Amt wie auch als Mitbewohner Loccums präsent war“, sagt Arend de Vries. Es sei ihm ein wichtiges Anliegen gewesen, zu dörflichen Anlässen immer auch einen Gottesdienst zu feiern.
2011 überstand Hirschler eine schwere Krankheit. In den letzten Jahren kümmerte sich sein Patenkind Margit Beubler, Pastorin im Ruhestand, um ihn und seine Frau.